Innerhalb weniger Tage sind über 1.000 Menschen auf ihrer Flucht über das Mittelmeer nach Europa ertrunken. „Das war voraussehbar“, sagen Kritiker der europäischen Flüchtlingspolitik. Dazu gehört auch die Evangelische Kirche:
Ich bin natürlich geschockt, auch über das Ausmaß, und muss zugleich auch sagen, dass ich es befürchtet habe.
Volker Jung ist Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland. Es sei ein Fehler gewesen, dass die vorbildliche italienische Rettungsoperation „Mare nostrum“ nicht als EU-Operation weitergeführt wurde, sondern nur die Grenzschutz-Operation „Triton“.
Ich bin persönlich auch sehr traurig und auch zum Teil wütend darüber, dass fast ritualartig nach solchen Katastrophen das Gleiche abläuft: Es ist große Betroffenheit, es ist großes Erschüttern, es ist immer die Versicherung „Das darf nie wieder passieren!“, und es passiert eben wieder. Das ist wirklich ein Skandal. Die europäische Politik verschließt immer wieder die Augen und geht nicht an das heran, was wirklich zu leisten wäre.
3.500 Menschen kamen auf ihrer Flucht nach Europa im vergangenen Jahr ums Leben. Nach Zahlen der Internationen Organisation für Migration sind es in diesem Jahr schon 1.750. Bei aller Komplexität der Flüchtlingspolitik müsse die Politik endlich handeln, fordert Jung. Eine neue Seenotrettungsoperation müsse es sofort geben. Und schnell legale Zuwanderungsmöglichkeiten.
Man muss Menschen, die auf der Flucht sind, auch die Möglichkeit geben, sichere Fluchtwege zu haben. Nur so kann man wirklich dauerhaft vermeiden, dass solche Katastrophen passieren, und dass die Not von Menschen durch Kriminelle ausgenutzt wird.
Die Evangelische Kirche erachtet sichere Passagen nach Europa als notwendig. Forderungen nach mehr Grenzschutz hält Jung für falsch.
Man muss sicher davon ausgehen, dass Menschen, die sich auf den Weg machen, aus einer extremen Notsituation heraus fliehen. Die werden sich immer wieder neue Wege suchen, um nach Europa zu kommen. Eine Blockade wird diese Situation mit Sicherheit nicht lösen.
Die Europäische Union plant für Donnerstag einen Sondergipfel.
Ich hoffe, dass dann auch wirklich etwas bewegt wird, und dass es nicht nur bei Verlautbarungen bleibt.
Stefan Erbe, Evangelische Redaktion